Freitag, 19. Mai 2017

Saudi-Arabien: der gefährlich zwiespältige Freund

Die enormen Risiken einer von US-Präsident Trump angestrebten engen Allianz mit dem Reich der radikal-islamistischen Wahhabiten

von Birgit Cerha

US-Präsident Trump hat das Ölreich Saudi-Arabien zum wichtigsten Anker einer Politik weltweiter (insbesondere mittelöstlicher) Krisenbewältigung gewählt. Nicht deutlicher konnte der weltpolitisch Ahnungslose diese Absicht signalisieren, als er Riad zu seinem ersten Ziel seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident erkor. Prinz Mohammed bin Salman, Verteidigungsminister, Lieblingssohn des Königs, „aufsteigender  Stern“ am politischen Wüstenhimmel, schwelgt in Freude über diesen „historischen Wendepunkt“, der neue Beziehungen in Bereichen der Politik, des Militärs, der Sicherheit und der Wirtschaft verheiße. Mit Investitionen von 40 Mrd. Dollar in die Infrastruktur der USA – ein Lieblingsprojekt Trumps – will Riad nach den Jahren der Eiszeit unter Obama den neuen Freund im Weißen Haus entlohnen. Und Trump traf Freitag mit dem Plan eines der größten Waffengeschäfte der Geschichte (Kriegsgeräte im Wert von mehr als 300 Mrd. Dollar) in der Tasche im Königreich ein, wo er etwa 50 Führern der islamisch-sunnitischen Welt, darunter unzählige, Menschenrechte mit Füßen tretende Diktatoren, seine vage Vision einer “Arabischen NATO“ verkünden wird.

„Wir haben alle denselben Feind, wir streben alle nach dem Selben“, heißt es aus dem „Weißen Haus“: Kampf gegen radikalen Islamismus, gegen die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS), „Al-Kaida“ und vor allem gegen das Hegemoniestreben des schiitischen Iran – und man verschweigt, dass es dabei um Saudi-Arabiens eigene Expansionsgelüste geht, von dem feurig-ehrgeizigen Königssohn Mohammed neudefiniert und in bis dahin ungewohnter saudischer Kriegslust vorangetrieben. Kein Zweifel, mit Trumps Hilfe treibt die Region einem so lange gefürchteten offenen Krieg der Sunniten gegen die schiitische Minderheit zu. Die gnadenlose Brutalität, die sich damit auszubreiten droht, lässt sich im arabischen Armenhaus Jemen erkennen, das die Saudis seit 2015 zur weltweit größten humanitären Katastrophe bombardierten. Die Brutalitäten und Zerstörungen stellen sogar jene Syriens noch in den Schatten, erreichen aber nicht das Rampenlicht der Welt.  Trump stärkt nun Riads Entschlossenheit den Prozess der totalen Zerstörung des Jemen unter dem Vorwand fortzusetzen, Irans Expansion im Jemen einzudämmen. Tatsächlich hatte der Krieg im Jemen bis zu Beginn der massiven saudischen Militärintervention 2015 rein hausgemachte Gründe, waren die sich zum Zaidismus (einer schiitischen Richtung des Islam) bekennenden Huthi-Rebellen keineswegs auf Hilfe des Irans angewiesen und erhielten sie – wiewohl in höchst geringem Maße – erst als der geopolitische Rivale Saudi-Arabien an diesem strategisch wichtigen Südzipfel der Arabischen Halbinsel mit hemmungsloser Gewalt Fuß zu fassen suchte. So war es Riad selbst, das ein, wiewohl stark begrenztes – iranisches Engagement im Jemen provozierte.
Die Liste der offen von den USA und Großbritannien mit Waffen unterstützten saudischen Kriegsverbrechen im Jemen ist lang: Wohnhäuser, Spitäler, Schulen, Märkte wurden und werden gezielt zerstört. Neben gnadenlosen Bombardements zählt die Seeblockade des von lebenswichtigen Importen abhängigen Landes zur effizientesten Strategie der Saudis. In einer Zeit, in der das Land eine der weltweit schlimmsten Hungersnöte durchleidet, zerstören saudische Bomber Rinderfarmen, Lebensmittelfabriken, Wasserbrunnen, Häfen, Flughäfen, Straßen und Brücken und verhindern damit effiziente internationale Hilfe. 80 Prozent der 27-Millionen-Bevölkerung benötigt dringend humanitäre Hilfe.
Nicht nur im Jemen stoßen amerikanisch-saudische „Gemeinsamkeiten“ an ihre Grenzen. Die Grundwerte des autokratischen Königreichs widersprechen radikal jenen der amerikanischen Demokratie. Exekutionen, Repressionen, Fahrverbot für Frauen im Ölreich sprechen für sich. Zudem hat Trump für den Kampf gegen radikale Ideologien ausgerechnet die Saudis zu seinem wichtigsten Partner gewählt, die nach den Worten  von William McCants von der angesehenen Denkfabrik „Brookings Institution“ zugleich „Brandstifter und Feuerwehrmänner“ sind. Bis heute konnte (und wollte) sich die autokratische Monarchie der Al-Sauds nicht von ihrem 200 jährigen Pakt mit den extrem-radikalen Wahhabiten-Geistlichen lösen. Diese sichern ihr mit ihrer „toxischen Version des Islam“ (so McCant) das politische Überleben und liefern zugleich das ideologische Futter für die gewalttätigen Jihadisten. Diese aber richten nun ihren Hass zunehmend auch gegen das von ihnen als „korrupt und heuchlerisch“ verdammte Königreich.
Wie stark die zentrale Ideologie der Wahhabiten die Terrorgruppen prägen, bewies der IS, der nach dem Vorbild seiner ideologischen Lehrmeister, der Barbarei huldigend, kulturhistorische Stätten wie Palmyra in Syrien ebenso zerstört, wie Kirchen, islamische Grabstätten und schiitische Moscheen, Genozid an den Jeziden verübte, Massenmorde an Christen und andersgläubigen Muslimen. Denn, so McCant ‚ der Wahhabismus zieht “eine scharfe Trennlinie …. zwischen einer kleinen Zahl der wahrhaft Gläubigen und allen anderen“.   Toleranz zwischen den Religionen wird mit dem Tode bestraft.
Das lehren auch die vom IS in Syrien und im Irak verbreiteten Schulbücher. Sieben der insgesamt zwölf vom IS eingesetzten Bücher gehen auf Mohammed ibn Abd al Wahhab, dem Gründer dieser von Hass erfüllten Glaubensrichtung zurück. Diese Intoleranz ist auch zentraler ideologischer Baustein des Hauses Saud, das über Jahrzehnte Tausende Milliarden Dollar zur Verbreitung seiner radikalen Ideologie über die ganze Welt einsetzte. Mehmet Görmez, höchster islamischer Gelehrter der Türkei, beklagt, dass die sich so massiv ausgebreitete wahhabitische Lehre Pluralismus, Toleranz, die Offenheit gegenüber der Wissenschaft, die so lange den Islam charakterisiert hätten, untergrüben. Auch andere Islamexperten sind davon überzeugt, dass diese radikale Ideologie den Weg des Islam zu Reformen blockierte.
Das vom Westen traditionell so umworbene Ölreich produzierte nicht nur 15 der 19 Attentäter, die am 11. September 2001 das World Trade Center in New York zum Einsturz brachten und fast 3000 Menschen töteten. Die große Mehrheit der auch bis heute von den USA als Terrorgruppen eingestuften Organisationen und Netzwerke hat ihre ideologischen Wurzeln im Wahhabismus. Saudi-Arabien spielte auch seit 2011 eine zentrale Rolle in einem fatalen Prozess, in dem in Syrien die demokratische, gemäßigte Opposition gegen Diktator Assad schließlich total von Islamisten bis hin zur Al-Kaida und dem IS verdrängt wurde. Kein Zweifel: Saudi-Arabien hat durch diese jahrzehntelange, durch Ölgeld finanzierte Verbreitung seiner radikalen Ideologie die Sicherheit auch im Westen in weit größerem Maße gefährdet als der von Washington, nun auch wieder von Trump so verteufelte Iran es je tat.
Freilich, die Angst, der Terror der Al-Kaida und des IS könnte auch die Grundfesten des saudischen Königsreichs erschüttert, trieb das Herrscherhaus schon vor Jahren dazu, sich – wiewohl zögerlich -  der von den USA angeführten Anti-Terror-Allianz anzuschließen. Während das Regime mit nur mäßigem Erfolg den Fluss von Geldern reicher saudischer Bürger und Waffen an den IS und andere radikale Islamisten im Irak und in Syrien zu stoppen suchte, hat die Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten aus der Sicht Washingtons weit größere Früchte getragen. So konnte etwa  ein Tipp aus Riad 2010 einen Terroranschlag auf zwei amerikanische Cargo-Flugzeuge verhindern.
Dennoch: Wie können die USA eine „Koalition mit Partnern“ aufbauen, deren gesamte Lebensform eng mit dem gewalttätigen Extremismus verbunden ist, den er nun in seiner auch ihm gefährlich werdenden  Ausprägung, aber nicht in seiner Ideologie zu bekämpfen sucht.

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